Familie und MS

Kinder müssen früh Verständnis lernen

Viele Symptome der MS, wie z. B. Gangstörungen, sind für die Mitmenschen sichtbar. Andere Symptome hingegen, wie z. B. Fatigue, Schwindel, Blasen- oder auch kognitive Störungen, sind sogar für das nahe Umfeld des Betroffenen nicht sofort erkennbar. Diese Symptome können daher nicht nur das Leben des MS-Betroffenen, sondern auch das Zusammenleben sowie das gegenseitige Verständnis innerhalb der Familie erheblich erschweren.

Kinder sollten schon frühzeitig die Möglichkeit bekommen, sich mit der MS eines betroffenen Elternteils auseinanderzusetzen. Denn ihre Kindheit und Jugend verläuft häufig anders als die ihrer Freunde mit gesunden Eltern, auch wenn dank moderner Therapien heute ein aktives Leben mit MS möglich ist. Hier nur einige Beispiele, welche Auswirkungen die MS eines Elternteils auf das Kind haben kann und wie diese das Zusammenleben beeinflussen können:

  • Geplante Ausflüge finden nicht statt, weil Vater oder Mutter plötzlich müde ist. Sogar der ersehnte Urlaub kann ins Wasser fallen, wenn ein Schub dazwischenkommt. Oder die Mutter erlaubt dem Kind, sich am Wochenende mit Freunden zu treffen, und erinnert sich dann nicht mehr daran. Dies ruft beim Kind natürlich Frustration, Wut und Enttäuschung hervor und kann zu hitzigen Diskussionen führen.
  • Während andere Kinder draussen Fussball spielen, muss das Kind im Haushalt helfen oder Einkäufe erledigen. Die Freunde zeigen dafür wenig Verständnis.
  • Das Kind fühlt sich schuldig, wenn es sich aufgrund der schwierigen Situation gegenüber den Eltern aufgebracht und zornig verhalten hat.
  • Das Kind fühlt sich aufgrund der MS, die häufig im Mittelpunkt des Familienzusammenlebens steht, vernachlässigt.
  • Die MS des Elternteils kann das Kind in Verlegenheit bringen. Symptome wie ein taumelnder Gang oder eine undeutliche Aussprache werden häufig mit Trunkenheit verwechselt. Gerade bei Kindern kann dies Unwohlsein auslösen. Sie schämen sich für ihren Vater oder ihre Mutter.

Immer das Gespräch mit dem Kind suchen

Einige Kinder von MS-Betroffenen empfinden starke Emotionen, wie z. B. Wut. Diese ist sicherlich in erster Linie gegen die MS gerichtet, wird aber auch häufig der betroffenen Person entgegengebracht. Gespräche, in denen das Kind lernt, seine Gefühle wie Wut, Traurigkeit, Scham oder auch Angst in Worte zu fassen, können zum besseren gemeinsamen Verständnis beitragen. Wenn es dem Kind schwerfällt, mit dem Elternteil, dem diese Gefühle gelten, zu sprechen, können auch Onkel, Tanten, Freunde der Familie, der Hausarzt oder der Vertrauenslehrer mögliche Ansprechpartner sein.

Tipps für den gemeinsamen Umgang mit der MS

Es ist wichtig, dass Kinder Wege finden, mit der MS des Elternteils und den eigenen Gefühlen umzugehen. Hier ein paar Tipps, die den Kindern die gegebene Situation erleichtern können:

  • Die Kinder sollten ihre Freundschaften pflegen. Andere Themen und ein anderes soziales Umfeld können hilfreich für das Kind sein.
  • Ein kreatives Hobby, wie Malen, Handwerken, Fotografieren oder Theater,hilft, den Fokus auf andere Aspekte des Lebens zu lenken.
  • Körperliche Betätigung oder Sport helfen, Wut und Ärger abzubauen.
  • Um möglichen Streitereien über die Verrichtung der Hausarbeiten vorzubeugen, sollte eine gerechte Verteilung anvisiert werden. Die Aufgaben sollten rotieren, damit die unliebsamen nicht nur an einer Person hängenbleiben.
  • Ein Job kann für das Kind/den Jugendlichen (finanzielle) Unabhängigkeit bedeuten (aber nur, wenn Schule und Aufgaben zu Hause nicht darunter leiden).
  • Die Kinder sollten lernen, Probleme, die im Zusammenhang mit der MS auftauchen, von sich aus anzusprechen. Allerdings sollte ein entspannter Zeitpunkt für das Gespräch gefunden werden, d. h. nicht sofort nach einer Auseinandersetzung oder wenn der betroffene Elternteil sich unwohl fühlt oder gerade Stimmungsschwankungen durchlebt.

Und auch die Eltern sollten einige Punkte im Umgang mit der MS und ihren Kindern berücksichtigen:

  • Kinder sind von Natur aus hilfsbereit. Sie helfen auch gerne auf Kosten ihrer eigenen Freizeit. Zudem sind sie stolz darauf, wenn sie in einer schwierigen Situation etwas leisten können. Wichtig ist, dass Sie Ihre Kinder für die Unterstützung loben, damit sie merken, dass ihre Hilfe nicht als selbstverständlich angesehen wird.
  • Der Umgang mit möglichen Stimmungsschwankungen des betroffenen Elternteils ist für das Kind nicht einfach. Deshalb sollten Sie dem Kind erklären, dass diese auf die MS und nicht auf das Verhalten des Kindes zurückzuführen sind.
  • Kinder werden häufig nicht über den Verlauf der MS unterrichtet. Dabei bringen Ehrlichkeit und Aufklärung dem Kind mehr Sicherheit im Umgang mit der MS.

Die vielleicht nicht ganz so negativen Seiten der MS

Das Leben mit einem MS-betroffenen Elternteil kann sicherlich auch positive Konsequenzen für die Kinder haben. Die Kinder lernen schon früh, Verantwortung, z. B. im Haushalt, zu übernehmen.

Kinder chronisch betroffener Eltern fühlen sich zudem häufig durch das in sie gesetzte Vertrauen sicherer und reifer als ihre Freunde. Sie entwickeln schon früh eine individuelle Persönlichkeit.

Ein besonders positiver Aspekt ist, dass die Familienbindung enger werden kann: Eine Diagnose wie MS bringt Ungewissheit mit sich und bedeutet eine grosse Belastung für die Familie. Viele Familien rücken nach einer anfänglich schwierigen Situation näher zusammen und sind jeweils für den anderen da. Die Kinder lernen ausserdem schon früh, Rücksicht zu nehmen. Seinen Vater oder seine Mutter bei einem chronischen Verlauf leiden zu sehen, ruft bei vielen das Bedürfnis hervor, helfen zu wollen. Dies bestimmt nicht selten ihre Zukunft. Sie wählen häufig soziale oder medizinische Berufe.

Kinder von Eltern mit MS lernen früh, was die MS für das Familienleben bedeutet. Ein offener Umgang mit Symptomen wie Fatigue und Gleichgewichtsstörungen fördert Vertrauen, Zusammenhalt und Rücksichtnahme.

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