Kognitives Training bei MS

Das Gehirn in Schwung halten

Kognitive Ausfälle kommen bei bis zu 60 Prozent der MS-Betroffenen vor und können die Aufmerksamkeit, das konzeptionelle Denken, Motorik oder das Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigen. Regelmässige Übungen zur Erhaltung der Hirnleistung sind bei neurologischen Diagnosen wie MS daher sinnvoller Bestandteil einer ganzheitlichen Therapie.

Kognition ist ein komplexer Begriff, der im weitesten Sinne das System der Informationsverarbeitung im Menschen umfasst. Kognitive Prozesse wirken sich auf die motorische Koordination, auf die Kommunikation und somit auf soziale Fähigkeiten wie Zuhören, Gestik und Sprache aus. Die Einschränkung sozialer Verständigung kann für Menschen weitreichende Folgen haben. Sie beginnen bei Irritationen im Austausch mit dem sozialen Umfeld und daraus entstehenden Unsicherheiten, können sich bis zur Berufsunfähigkeit entwickeln und schlimmstenfalls in sozialer Isolation enden.

Training bei kognitiven Störungen

Die Multiple Sklerose zählt zu den häufigsten neurologischen Diagnosen. Sie ist von der sogenannten Demyelinisierung, der Schädigung und dem Verlust von Myelin gekennzeichnet. Myelin ist die Substanz, die Axone und Nervenzellkörper im Hirn schützt. Der Multiplen Sklerose liegen zwei Mechanismen zugrunde (Entzündung und Axonverlust), die kognitive Störungen zur Folge haben können. Entsprechendes Training kann jedoch helfen, kognitive Funktionen zu erhalten.

Das kognitive Training gehört zu den Methoden der Ergotherapie, eine ganzheitliche medizinische Behandlung, die psychologische, pädagogische und soziale Aspekte in die Arbeit mit Betroffenen einbezieht. Kognitives Training wird mit Hilfe verschiedener Gedächtnis-, Konzentrations- und Reaktionsübungen angewandt, um neuropsychologische Funktionen zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei soll neben der Verbesserung der kognitiven Fähigkeit auch zur Bildung von Wissen und Strategien der Informationsaufnahme beigetragen werden.

Ambulante neuropsychologische Therapien 

Obwohl der Bedarf für regelmässiges Hirntraining bei Multipler Sklerose von vielen Experten benannt wird, existieren derzeit noch keine wissenschaftlichen Evaluationen über den therapeutischen Nutzen von Massnahmen wie dem kognitiven Training im Kontext einer ganzheitlichen MS-Therapie. Dies gilt für internationale Standards der MS-Therapie. Auch die MSIF (Multiple Sclerosis International Federation) stellt fest, dass ein kognitives Rehabilitationsprogramm, bei welchem die Kommunikationsfähigkeiten gefördert und eine kognitive Verhaltenspsychotherapie eingesetzt wurden, zwar als sinnvoll erachtet wird, aber bisher noch nicht angemessen für den therapeutischen Nutzen zur Behandlung von Menschen mit MS evaluiert wurde. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass erhaltende Methoden der Ergotherapie im Rahmen der Behandlung von MS einer individuellen Abklärung bei der Krankenkasse zur Kostenübernahme bedürfen.

Der Ergotherapeut Yael Goverover und seine Kollegen kombinieren zwei kognitive Rehabilitationsstrategien, um Lernvermögen und Gedächtnis bei MS zu verbessern: Lernen mit selbst erarbeiteten Inhalten ("Self-Generation") und Lernen mit gezielten Pausen ("Spaced Learning").

  • Bei der Self-Generation handelt es sich um eine Erinnerungsstrategie, bei der Begriffe und Inhalte, die im Kopf behalten werden sollen, selbst erzeugt werden müssen. Goverover erklärt das Vorgehen so: Wenn Studienteilnehmer sich beispielsweise den Namen "Paul" merken sollten, mussten sie einen Lückentext ergänzen (P...... isst gerne Äpfel) und wurden angewiesen, einen Namen zu ergänzen, der sich auf "Maul" reimt. Ziel war es, dass die Teilnehmer sich den selbst erarbeiteten Namen besser merken.
  • Beim Spaced Learning wird der Lerninhalt dreimal wiederholt, wobei zwischen jeder Wiederholung eine Pause (z. B. 10 Minuten) liegt. In den Pausen werden die Lernenden angehalten, sich zu bewegen. Goverover und seinem Team gelang es, in einer Untersuchung an 20 Menschen mit MS zu beweisen, dass die Gedächtnisleistung am besten war, wenn beide Lernstrategien kombiniert wurden.

Sie schlussfolgern deshalb, dass "die Kombination dieser beiden Lernstrategien als kognitive Rehabilitationsstrategie bei Menschen mit MS nützlich sein könnte".

Kognitiv aktiv mit MS – jederzeit möglich

Unabhängig von einer Ergotherapie ist es jederzeit möglich, im Alltag die Hirnleistung und das Gedächtnis zu trainieren. Täglich wenige Minuten Übung mit Sudoku-Rätseln unterwegs oder computergestützten Übungen im Internet helfen, das Gehirn in Schwung zu halten. Auch www.aktiv-mit-ms.ch bietet Ihnen speziell entwickelte kognitive Übungen an, um Ihre geistig-mentale Leistungsfähigkeit zu steigern.

Kognitives Training bei MS ist wichtig – das haben Experten schon lange erkannt. Auch im Alltag können Sie einiges tun, um Ihre Hirnleistung zu trainieren.

Quellen

  •  Mult Scler Dec 2011 vol. 17 no. 12 1488-1497

 

 

 

1 2 3 4 5
Sie sind nicht eingeloggt. Sie müssen sich anmelden um diesen Artikel zu bewerten.