Rückenschmerzen und MS

Wenn Bewegung zur Qual wird

Rückenschmerzen sind in unserer Gesellschaft eine Volkskrankheit. Aufgrund mangelnder Bewegung, langem Sitzen und falschen Bewegungsmustern leidet der Rücken. Typische Symptome sind Nacken- und Schulterschmerzen, Nackensteife, Kreuzschmerzen und Ischiasbeschwerden. Ursachen für diese Probleme sind meist nicht die Knochen der Wirbelsäule, sondern Verrenkungen der kleinen Gelenke der Wirbel oder durch falsche Belastung verursachte Verspannungen der Rückenmuskulatur.

Rückenschmerzen bei MS können viele Ursachen haben

Rückenschmerzen sind bei Menschen mit MS das am häufigsten auftretende Schmerzsymptom. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Um hier zu helfen, muss zunächst geklärt werden, ob es sich um neurogene Schmerzen, die direkt auf die Multiple Sklerose zurückzuführen sind, oder um indirekte Schmerzen handelt.

Die Wirbelsäule – zentrale Stütze des Körpers

Die Wirbelsäule ist die zentrale Stütze des Körpers. Sie lässt sich in drei Bereiche unterteilen:

1. Hals-, 2. Brust- und 3. Lendenwirbelsäule. Die Wirbelsäule besteht aus 24 beweglichen Wirbeln. Zusätzlich gibt es neun bis zehn weitere, starre Kreuzbein- und Steissbeinwirbel.

Die Wirbel von der Halswirbelsäule bis zur Lendenwirbelsäule werdenunterteilt in:

  • Cervicale Wirbel (C1 bis C7 sind die Wirbel der Halswirbelsäule HWS),
  • Thorakale Wirbel (Th 1 bis Th 12 sind die Wirbel der Brustwirbelsäule BWS),
  • Lumbale Wirbel (L1 bis L5 sind die Wirbel der Lendenwirbelsäule LWS)

Geschützt im Wirbelkanal verläuft das Rückenmark, allerdings nur bis zum 2. Lendenwirbel. Durch Öffnungen in den Wirbelbögen treten die Nerven des Rückenmarks, die sogenannten Spinalnerven, aus der Wirbelsäule aus. Das Rückenmark gehört zum Zentralnervensystem und kann ebenfalls von der Multiplen Sklerose betroffen sein und geschädigt werden.

Bandscheiben schützen vor starken Stössen

Um Stösse und Erschütterungen, aber auch den Druck beim Nach-vorne-Beugen abzufedern und somit eine verschleissarme Beweglichkeit der Wirbelsäule zu ermöglichen, liegen zwischen den Wirbeln die aus Knorpel bestehenden Bandscheiben. Die Dicke der Bandscheiben nimmt von der Hals- bis zur Lendenwirbelsäule zu, um eine höhere Beweglichkeit im Halsbereich im Gegensatz zum eher starren Lendenbereich zu gewährleisten. Werden die Bandscheiben geschädigt, können Teile davon in den Spinalnerven- oder Rückenmarkskanal eintreten – es kommt zu einem sogenannten Bandscheibenvorfall. Die Rückenschmerzen entstehen dadurch, dass diese dann auf das umliegende Nervengewebe drücken. Auch kann es, abhängig von der genauen Schädigung, zu Missempfindungen in den Gliedern kommen.

Die Stabilität der Wirbelsäule wird vorrangig durch Bänder, die sich über die gesamte Länge erstrecken, gewährleistet. Um Bewegungen und eine aufrechte Haltung zu ermöglichen, ist die Wirbelsäule von zahlreichen Muskelsträngen umgeben.

Rückenschmerzen bei MS

Heute weiss man, dass etwa 50 Prozent der MS-Betroffenen Schmerzen aufgrund der Multiplen Sklerose haben. Hierbei sind Rückenschmerzen eines der häufigen Symptome.

Indirekte Schmerzen und Multiple Sklerose

Meist liegt die Ursache von Rückenschmerzen bei MS an falschen Haltungs- und Bewegungsmustern. Betroffene versuchen beispielsweise eine Schwäche in einem Bein oder Gleichgewichtsstörungen zu kompensieren. So wird eine Seite mehr belastet als die andere oder der Gang wird unnatürlich. Auch der inkorrekte Einsatz von Hilfsmitteln wie Rollstuhl oder Gehhilfe kann die Gelenke falsch belasten. Zu langes Sitzen oder Liegen übt zudem Druck auf Becken und Kreuz aus.

Muskelverspannungen, Muskelschmerzen, Fehl- und Überbelastungen der Wirbelsäule sind häufig die Folge – nicht selten entwickelt sich einTeufelskreis: Nicht die Ursache wird bekämpft, sondern neue Ausweichstrategien entwickelt, um den Rückenschmerzen entgegenzuwirken. Dabei sind Sport, Physiotherapie und der richtige Umgang mit Hilfsmitteln die wichtigsten Massnahmen, um diesem Symptom Abhilfe zu schaffen. Denn entgegen der überholten Vorstellung, Sport und Bewegung seien ungesund für Menschen mit MS, ist ein auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenes Training nur zu empfehlen.

Chronische Schmerzen bei MS

Zu den chronischen Schmerzen bei Multipler Sklerose werden Muskelkrämpfe aufgrund einer Spastik und auch die bei Menschen mit MS oft typischen Missempfindungen, die neurogenen Schmerzen, gezählt. Diese anfallartigen neurogenen Schmerzen (neurogen = vom Nervensystem ausgehend) betreffen nicht selten den Rücken, vorzugsweise im Bereich des Rumpfes. Ursächlich für neurogene Schmerzen sind wahrscheinlich die demyelinisierten Nervenbahnen im Rückenmark, die besonders leicht elektrisch erregbar sind. Plötzlich und scheinbar grundlos oder durch bestimmte Bewegungen ausgelöst, entstehen so – anders als beim Gesunden – elektrische Reize. Diese können mitunter auf ein ganzes Nervenbündel übergreifen und im Gehirn die eigentliche Schmerzempfindung bewirken. Multiple Sklerose-Betroffene fühlen sich dabei wie in einem Panzer gefangen. Die Berührung von Kleidung, Bettdecke oder der Matratze können schnell zur Qual werden. Solche Missempfindungen sind nicht einfach zu behandeln. Gegen ein Brennen kann gegebenenfalls ein kühlender Waschlappen helfen, ein eng anliegendes Unterhemd kann plötzlichen schmerzhaften Kontakt mit anderen Materialien abdämpfen.

In jedem Fall sollte der behandelnde Neurologe zu Rate gezogen werden, denn es besteht durchaus die Möglichkeit, medikamentös gegen diese Schmerzen vorzugehen, auch wenn gerade hier normale Schmerzmittel meist nicht helfen.

Schmerzauslöser: fehlerhafte Nervenregulation bei MS

Ein anderer typischer Schmerzauslöser ist eine Spastik im Rücken, die schmerzhafte Muskelverspannungen verursachen kann. Auslöser ist eine durch die Multiple Sklerose verursachte, fehlerhafte Regulation von Nerven. Betroffen sind diejenigen Nervenzellen, die mit ihren langen Fortsätzen (Axonen) die Muskeln steuern. Dadurch wird die Muskelspannung krampfartig erhöht, was schliesslich teils starke Rückenschmerzen auslösen kann.

Medikamentös ist eine Spastik recht gut zu behandeln, sprechen Sie Ihren Neurologen darauf an. MS-Betroffene selbst sollten insbesondere auf Folgendes achten:

  • sich, wenn möglich, viel zu bewegen,
  • regelmässig Physiotherapie in Anspruch zu nehmen,
  • täglich Stretching-Übungen zu machen,
  • bei sitzenden Tätigkeiten oft die Position zu wechseln oder zeitweise auf einem orthopädischen Sitzkissen zu sitzen.

Gezielte Anwendungen können Rückenschmerzen lindern

Auch Fangopackungen und Massagen können entspannend auf die Muskulatur wirken, doch werden diese von manchen Betroffenen wegen Hitzeunverträglichkeit oder zusätzlichen Missempfindungen aufgrund der Multiplen Sklerose nicht gut vertragen.

Rückenschmerzen können sich sehr negativ auf das gesamte Allgemeinbefinden auswirken. Wichtig für jeden MS-Betroffenen ist, diese ernst zu nehmen und mit seinem behandelnden Arzt über die Symptome zu sprechen. Unabhängig von der Ursache der Rückenschmerzen, ob durch die Multiple Sklerose oder durch falsche Körperhaltung, gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten. Unbehandelt können Rückenschmerzen bei MS jedoch zu einer langwierigen psychischen Belastung führen.

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