Sexualstörungen bei MS

Offenheit und Vertrauen – der Schlüssel für erfüllte Sexualität

Wenn der Frühling sein blaues Band flattern lässt, sind die rosaroten Wolken der Liebe meist nicht weit. Längere Tage, Sonnenschein und steigende Temperaturen bringen die Sexualhormone jedes Jahr aufs Neue in Wallung. Doch wer mit der Diagnose MS lebt, kann häufig nicht mehr unbefangen mit Liebe und Sexualität umgehen. Funktionsstörungen, sexuelle Unlust, aber auch Unsicherheiten, Scham und falsch verstandene Fürsorge können jede Liebesbeziehung leicht aus dem Lot bringen. Durch schwierige Zeiten helfen Offenheit, Vertrauen und Kreativität.

MS kann Sexualstörungen verursachen

Im Liebesleben hängt so manches am Nervensystem: Die Nervenzellen in Körper und Gehirn sind an der sexuellen Erregung in all ihren Facetten beteiligt. Beeinträchtigungen durch die MS können daher unmittelbar Einfluss auf die Sexualität nehmen. Mediziner schätzen, dass etwa 75 % der Männer und 50 % der Frauen mit Multipler Sklerose an Sexualstörungen leiden. Die Betroffenen klagen über schwindende Libido, Erektionsstörungen, Scheidentrockenheit, ein gestörtes Gefühlsempfinden bis hin zum fehlenden Orgasmus.

Andere Folgen der MS, die nicht direkt auf die Sexualfunktionen wirken, können das Liebes(er)leben ebenfalls hemmen, zum Beispiel Blasenschwäche, Fatigue, Tremor der Hände oder Spastiken. Auch kognitive Störungen können intime Momente empfindlich belasten, etwa wenn Aufmerksamkeit oder Konzentrationsvermögen beeinträchtigt sind.

Gut gemeinte Fürsorge erdrückt das Begehren

Gerade in Liebesdingen wiegt die Psyche viel schwerer als das rein körperliche Funktionieren oder eben Nicht-Funktionieren. Inkontinenz, Tremor oder eine Spastik wollen nicht so recht passen in unser Bild davon, was "begehrenswert" ist. Und so ziehen sich MS-Betroffene vielleicht vor ihrem Partner zurück, aus Scham, weil sie sexuell auf einmal nicht mehr "funktionieren" oder weil sie glauben, nicht mehr den Vorstellungen des Partners zu genügen. Auch der Liebespartner kann verunsichert reagieren: Fatigue bedingte Erschöpfung oder Aufmerksamkeitsstörungen können leicht als sexuelles Desinteresse gedeutet werden. Auf der anderen Seite kann die gut gemeinte (Für-)Sorge um den betroffenen Partner das sexuelle Begehren auch erdrücken.

So schwer es jedem auch fallen mag, offen mit seinem Partner über Gefühle, Wünsche und Vorstellungen zu sprechen: Das liebevolle Gespräch ist der einzige Weg, sexuelle Probleme zu meistern – damit auch mit MS eine erfüllte Sexualität möglich ist.

So können Partner bei MS lernen, sich wieder einander zu nähern:

  • Manchen MS-Betroffenen hilft es, sich zu vergegenwärtigen, dass auch viele Menschen ohne MS mit demselben Problem zu kämpfen haben. Schätzungsweise leiden 40 % aller Frauen und etwa 30 % aller Männer an Störungen ihrer Sexualfunktionen.
  • Zudem muss sexuelles Desinteresse – eigenes oder des Partners – nicht unbedingt von der MS herrühren. Auch Arbeitsdruck, Familienprobleme oder anderer Stress können die Lust am Sex schmälern.
  • Beim Gespräch über Sexualität kommt es leicht zu Missverständnissen. Ungeschickte Formulierungen oder der falsche Zeitpunkt können manch gut gemeinte Initiative in die Irre führen. Gerade am Anfang kann ein Paartherapeut helfen, eine neue Gesprächskultur zu lernen und zu pflegen.
  • Wichtig ist es auch, die eigenen Vorstellungen von Sexualität zu überdenken und neue Formen der Intimität zu entdecken: Körperliche Nähe, Streicheln und Liebkosen gehören genauso zur Sexualität wie der blosse Geschlechtsverkehr. Ausserdem kann Fantasie bei der Auswahl sexueller Stellungen oder Praktiken mögliche körperliche Beeinträchtigungen überwinden.
  • Viele Sexualstörungen lassen sich heute mit wenig Aufwand behandeln. So können bei Erektionsproblemen unterschiedliche Massnahmen helfen. Neben Medikamenten können zum Beispiel Penispumpen die Erektion fördern oder stabilisieren. Gemeinsam mit einem Arzt sollte sich die passende Lösung finden lassen.
  • Spezielle Gleitmittel bringen Erleichterung bei einer trockenen Scheide. Hier lohnt es sich, ohne Scham mit der Frauenärztin über die konkreten Probleme zu sprechen.
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