Sexualität und MS

Sexuelle Funktionsstörungen

Eine erfüllte Sexualität ist für jeden Menschen wichtig. Durch die Multiple Sklerose kann es zu sexuellen Funktionsstörungen kommen. Wissenschaftler unterscheiden primäre, sekundäre und tertiäre sexuelle Funktionsstörungen bei MS.

Sexuelle Erregung

An den komplexen Abläufen von der sexuellen Erregung bis zum Orgasmus sind verschiedenste neuronale Schaltkreise und Reflexe beteiligt. Von den Sinnesorganen werden sexuelle Reize über die Rückenmarksbahnen an das Gehirn geleitet. Bestimmte Hirnabschnitte, z. B. das limbische System und der Hypothalamus, koordinieren die körperlichen Reaktionen der Erregungsphase. Sie leiten die Impulse weiter an Herz, Haut und Genitalregion. Die Herz- und Atemfrequenz steigt an, das Gesicht rötet sich.

Sexueller Höhepunkt

Bei der Frau kommt es zu einem Anschwellen der Schamlippen und der Klitoris sowie zu der Absonderung von Flüssigkeit im Scheideninneren (Lubrikation). Beim Mann wird durch eine Blutstauung im schwammartigen Schwellkörper des Penis die Erektion ausgelöst. Schliesslich erfolgt der Orgasmus mit Samenerguss (Ejakulation) bzw. rhythmischen Kontraktionen des Beckenbodens und der Scheidenmuskulatur.

Auch hierfür ist eine unbewusste, aber präzise Koordination von Drüsen und Muskulatur nötig. Die Abläufe der sexuellen Reaktion werden im unteren Rückenmarksbereich (sakral und lumbal) über Reflexbögen gesteuert und unterliegen Einflüssen aus höheren Hirnzentren.

MS und die Auswirkungen auf die Sexualität

Auf allen Ebenen sind Schädigungen durch MS-bedingte Läsionen möglich, die zu Funktionsstörungen der Nervenareale führen. Am häufigsten finden sich diese jedoch im unteren Rückenmark. Betroffen sind meist Personen, die auch an Gefühls- oder Bewegungsstörungen der Beine oder Funktionsstörungen der Blase leiden. MS-Herde in tieferen Hirnregionen können Libido und sexuelles Begehren herabsetzen. Eine frühzeitige immunmodulatorische Basistherapie kann den Axonverlust verlangsamen und einen längeren Erhalt der Nervenfunktionen sichern.

Die MS kann sich in den unterschiedlichsten Formen auf das Sexualleben und das intime Zusammenleben des betroffenen Paares auswirken. Hierbei unterscheidet man zwischen primären, sekundären und tertiären Sexualstörungen.

Primäre sexuelle Funktionsstörungen bei MS sind:

  • Libidoverlust
  • unangenehme Empfindungen im Genitalbereich
  • eingeschränkte Orgasmusfähigkeit

Bei Männern:

  • Schwierigkeiten, eine Erektion zu erreichen oder aufrechtzuerhalten
  • Abnahme (bis hin zum Verlust) der Intensität oder Häufigkeit des Samenergusses

Bei Frauen:

  • verringerte Gleitfähigkeit der Vagina
  • Verlust des Muskeltonus der Scheide
  • herabgesetztes Anschwellen der Klitoris

Sekundäre sexuelle Funktionsstörungen bei MS

Unter die sekundären sexuellen Funktionsstörungen fallen Symptome, die sich nicht direkt auf die Nervenbahnen des Genitalsystems beziehen:

  • Blasen- und Darmprobleme
  • Fatigue (Ermüdung)
  • Spastizität
  • Muskelschwäche
  • Tremor des Körpers oder der Hände
  • Störungen der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit: Kognitive Probleme, wie Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis und Konzentration, sind während des Geschlechtsaktes entmutigend für beide Seiten
  • Änderungen der nicht auf den Genitalbereich bezogenen Empfindungen

Tertiäre sexuelle Funktionsstörungen bei MS

Tertiäre Sexualstörungen ergeben sich aus den mit der Behinderung einhergehenden psychosozialen Problemstellungen und den Veränderungen des Selbstwertgefühls: Durch körperliche und emotionale Änderungen, die in Zusammenhang mit der MS stehen, ändert sich das Selbstwert- und Körpergefühl des Betroffenen. Die Angst vor einer Behinderung oder das Bestehen einer Behinderung kann sich negativ auf das Selbstbild auswirken. Sich noch als Person mit sexuellen Wünschen zu sehen, fällt schwer.

Neues Rollenverhalten durch MS

Das Rollenverhalten in der Partnerschaft kann sich verändern. Wird der eine Partner durch die MS abhängig von dem anderen, können sich gegenseitiger Respekt und Attraktivität ändern. Die Pflege und Sorge des betroffenen Partners kann zum wichtigsten Bestandteil der Beziehung werden. Der Spass an Sex und Intimität kann dadurch nachlassen.

Falsche Rücksichtnahme

Durch nicht ausgesprochene Wünsche und Bedürfnisse kann es zu Missverständnissen in der Partnerschaft kommen. Um den betroffenen Partner zu schonen, unterdrücken viele ihre sexuellen Wünsche und ziehen sich zurück. Hier kann ein offenes Gespräch helfen.

Sexuelle Funktionsstörungen können für Menschen mit MS eine grosse Beeinträchtigung darstellen. Daher ist es wichtig, Ängste und Sorgen dem Partner gegenüber offen anzusprechen und professionelle Hilfe zu suchen.

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